Als Kind wollte ich Pfarrer werden
Am 25.11.2020 haben vier Schüler der Klasse BTW13u ein Interview mit Herrn Dr. Wolfgang Lehner, welcher Lehrer für wirtschaftliche Fächer an der FOSBOS-Rosenheim ist, durchgeführt. Das Interview behandelt seinen beruflichen Werdegang, sowie seine Erfahrungen als Lehrer.
Welches berufliche Ziel verfolgten Sie als Kind?
Als Kind habe ich mehrere berufliche Vorstellungen gehabt. Jedoch hat sich der Wunsch, ein Theologiestudium zu beginnen und Pfarrer zu werden, verfestigt. Doch mit zunehmendem Alter und dem Belegen von wirtschaftlichen Fächern in der Wirtschaftsschule habe ich mich von diesem Berufswunsch distanziert. Fortan bestand der Wunsch einen kaufmännischen Beruf zu erlernen, wobei sich speziell die Ausbildungsberufe Industrie- und Bankkaufmann herauskristallisierten. Schlussendlich habe ich mich für die Ausbildung als Bankkaufmann entschieden, da mir dieser Beruf von meinem Umfeld am wenigsten zugetraut wurde, und mir dies einen besonderen Anreiz schaffte.
Was hat Ihnen an ihrer Ausbildung zum Bankkaufmann gefallen und was nicht?
Schön war die Abwechslung im Berufsalltag, da nicht nur Bürotätigkeiten, sondern auch Kundenkontakt zu meinem Aufgabenfeld gehörten. Vor allem die Arbeit mit den Kunden hat mir dabei Spaß bereitet, da ich oft flexibel auf Kundenanliegen reagieren musste. Auch die Zusammenarbeit mit Kollegen war sehr schön.
Allerdings sehe ich die Zeit an der Berufsschule teils kritisch, weil manche Lehrer zu berufs-/lebensfern unterrichtet haben, nur Geschichten aus dem eigenen Leben erzählten, die nichts mit dem jeweiligen Fach zu tun hatten und andere haben kein Interesse an den Schülern gehabt. Zur Prüfungsvorbereitung waren die außerbetrieblichen Weiterbildungsangebote an der Akademie bayerischer Genossenschaften in Beilngries sehr hilfreich, sowohl auf die Materialien, als auch auf die Praxiserfahrung der Dozierenden bezogen.
Warum haben Sie sich doch gegen den Werdegang als Bankkaufmann entschieden?
Ein Grund dafür waren schlechte Aufstiegschancen mit der Mittleren Reife gewesen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden die BOS zu besuchen, jedoch noch nicht mit der Absicht das Bankwesen zu verlassen. In der 12. Klasse habe ich eine sehr gute Klassengemeinschaft gehabt, wodurch ich motiviert war auch die 13. Klasse zu belegen. Schlussendlich hat mich die Perspektivlosigkeit in der Bank dazu bewogen nicht mehr zurückzugehen, da alle Führungspositionen mit jungen Mitarbeitern besetzt waren. Ein weiterer Grund war die Veränderung des Bankensystems, weg vom Berater hin zum Verkäufer, was ich in manchen Fällen nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte.
Würden Sie es generell empfehlen zuerst eine berufliche Ausbildung zu machen, bevor man das Abitur macht?
Grundsätzlich kann ich es auf jeden Fall empfehlen, denn durch die zusätzliche Zeit erhält ein Schüler viel mehr an Reife. Aus eigener Erfahrung starten Schüler nach einer Ausbildung mit mehr Motivation in die BOS, denn sie haben schon Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt und wissen so, welche Ziele sie verfolgen. Das habe ich selbst in meiner Schulzeit wahrgenommen, aber auch als Lehrer festgestellt.
Würden Sie den Lehrplan ändern, um den Schülern eventuell etwas zu unterrichten, das Sie in ihrem Leben nochmal brauchen?
Ich selbst finde diese Frage sehr schwer, denn ich habe mir diese auch als Schüler oft gestellt. Aber im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass es im Studium genauso abläuft. Man muss dort oft Sachen machen, die man für sein späteres Leben auf den ersten Blick nicht mehr braucht. Erst später habe ich erkannt, dass es darum geht, bestimmte Kompetenzen auszubilden, um im späteren (beruflichen) Leben ähnliche Situationen gut bewältigen zu können.
Was sind die grundlegenden Unterschiede zwischen einem Lehrer und einem Dozenten?
Grundsätzlich ist man als Lehrer viel mehr mit den Schülern beschäftigt, denn als Dozent ist alles anonymer gehalten. Als Dozent hat man weniger erzieherische Aufgaben, die man als Lehrer häufiger hat. Denn den Schülern mangelt es öfter an Disziplin, die man als Lehrer mit erzieherischen Maßnahmen bekämpfen muss. Die Anzahl der Unterrichtsstunden ist als Lehrer wesentlich höher, denn sie sind der Hauptbestandteil eines Lehrerjobs. Als Dozent überwiegen Verwaltungsarbeiten, wissenschaftliches Arbeiten, die Vorbereitung diverser Tagungen und Meetings sowie Betreuungstätigkeiten.
Glauben Sie es entstehen Nachteile bzw. Vorteile für den Schüler durch den fehlenden Präsenzunterricht bzw– durch den bestehenden Onlineunterricht?
Zum einen fehlt durch den Onlineunterricht der Kontakt zu den Schülern und zum anderen können wir als Lehrer die Reaktion der Schüler nicht sehen. Damit meine ich die pädagogische Sichtweise, ich erkenne nicht mehr wie Schüler auf Erklärungen des Lehrers reagieren und beispielsweise deren Gesichtsausdruck, wie ein Augenrollen oder ein Blick in ein zufriedenes Gesicht. Dies sieht man online häufig nicht, weil z.B. die Kamera aus ist oder der Bildschirm zu klein ist, um so eine Reaktion der Schüler zu erkennen. Grundsätzlich sehe ich den Präsenzunterricht als Idealfall für alle Beteiligten, bin aber dennoch der Meinung, dass der Onlineunterricht an der FOSBOS-Rosenheim sehr gut läuft und in Bayern relativ gut unterstützt wird. U. a. gab es Lehrplananpassungen, die die Schüler und auch uns Lehrer entlasten, was mir aus anderen Bundesländern nicht bekannt ist. In Gesprächen mit Freunden aus anderen Bundesländern hätten sich diese ein solches Vorgehen auch in ihrem Bundesland gewünscht.
Ebenso sehe ich die Subjektivität des Online- u. Präsenzunterrichts und deren Umsetzung bei den Schülern. Dabei meine ich vor allem die verschiedenen Voraussetzungen in Bezug auf die technischen Ausstattungen der Schüler. Ich finde aber auch, dass Schüler, die bereits technisch gut ausgestattet sind, vom Onlineunterricht profitieren können. Dennoch entstehen für einige Schüler Nachteile, wenn sie diese Ausstattungen eben nicht haben. Trotz vieler Nachteile für die Schüler, gab es letztes Jahr aber auch Vorteile, denn sie konnten sich beispielsweise stärker auf die wesentlichen Fächer konzentrieren, weil die Unterrichtsstunden der Nebenfächer zum Teil für die Hauptfächer verwendet wurden. Außerdem gab es durch viele Lehrer zusätzliche und individuellere Betreuungsangebote über die Online-Medien, die den ein und anderen Nachteil vermutlich kompensiert haben.
Wie könnten die Schüler die aktuellen Corona-Maßnahmen in unserer Schule noch besser umsetzen?
Ich bin der Meinung, dass die Umsetzung in Bezug auf Maske, Abstand usw. bei den Schülern mittlerweile deutlich besser klappt. Dennoch sollte sich jeder Schüler seiner Verantwortung bewusst sein, sich und seine Mitmenschen zu schützen.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf ihr privates Umfeld aus?
Ich selbst habe persönlich gar nicht so großartige Auswirkungen bemerkt, weil ich kein Fan von großen Reisen bin und auch schon vor Corona Urlaub gerne in der Heimat gemacht habe. Allerdings vermisse ich auch das ein und andere Kaffeetrinken und Abendessen mit Freunden in Lokalen.